wie wär's mit ein bisschen Tsunami?
17:00 Uhr: wir trauen unseren Augen nicht und der ein oder andere unseres Grüppchens, dass zum 5 Uhr Tee auf der Hotel-Terrasse erschienen ist, quittierts mit einem Quietschen: Wale!! Ein ganzes Rudel!! Zwar weit draußen, aber immer wieder aufspringend - unfassbar. Massive Körper erheben sich scheinbar schwerelos aus den Wellen. Das haben wir noch nie beobachtet und können unser Glück kaum fassen (Ich stehe seit 6 Wochen immer an der Stelle und schaue aufs Meer und hätte höchstens mit Delfinen gerechnet). Erst später soll uns wieder einfallen, dass außergewöhnliches Tierverhalten ernst genommen werden muss...18:00 Uhr: ich hab den Laden aufgeschlossen und warte auf den Shop-Schneider, der zu unseren Öffnungszeiten die Kunden bedient. Völlig aufgelöst erscheint dieser und erzählt Unzusammenhängendes, aus dem das Wort Tsunami hervorsticht (er kann nur wenig Englisch). Ich versuche ihn zu beruhigen und erkläre ihm, dass das nicht möglich ist. Ganz klar wird mir nicht, woher er seine Information bezieht, weswegen ich meine Kollegin im Büro anrufe, die das Internet checken soll - als Maßnahme um den Schneider zu beruhigen. Keine 2 Minuten später läuft es mir eiskalt den Rücken herunter: offizielle Tsunamiwarnung im Radio für die Ost- und Südküste Sri Lankas! Evakuieren.....vom Strand fernhalten. - unser Hotel steht direkt am Strand!! Ich rufe wieder meine Kollegin an, diesmal nicht scherzhaft. Die Info ist inzwischen auch vom Management an uns rangetragen worden. Ich schicke den Schneider nach Hause und habe Angst.
18:30 Uhr: wir stecken mitten in den Vorbereitungen, die man trifft, wenn man möglicherweise einen Tsunami erwartet. Alle Gäste zusammen trommeln, informieren, beruhigen. Das Erdgeschoss des Hotels wurde vollständig leer geräumt, zum Schutz der Möbel aber auch zum Schutz der Menschen vor dann im Wasser treibenden Gegenständen. Unser Büro ist ebenfalls im EG. Meine Kollegin kümmert sich weiter um die Gäste, während ich dieses leer räume. Akten, Laptop, Fax, den Kühlschrankinhalt - dabei immer den Blick aus der Tür auf das Meer (man kann es direkt sehen, Luftlinie wirklich nur 20m). Die Sonne geht unter, einen schlechteren Zeitpunkt hätte es nicht geben können, denn man sieht den Meeresboden nicht mehr (und das ist ja wichtig um zu sehen, ob der Wasserspiegel rapide fällt). Ich versuche nach Dt. zu telefonieren und komme nicht mehr durch. Im Internet finden wir keine Informationen außer die Warnmeldung aus den Staaten, die eine Tsunamientstehung für den Indischen Ozean als sehr hoch einschätzen und zu einer weitläufigen Evakuierung aufrufen. Unsere einzige verlässliche Info ist die, dass es ein Erdbeben vor Sumatra gegeben hat, das sich sehr ähnlich zu dem verheerenden Beben von 2004 samt Tsunami verhalten hat.
19:00 Uhr: ich packe sicherheitshalber eine Nottasche, die neben meinem Bett steht mit Pass, Geld, Essen und Flugticket. Inzwischen haben wir eine neue Information bekommen: gegen 20:00 / 20:15 müssen wir mit dem Eintreffen eines möglichen Tsunamis rechnen. Mir gehen dann doch kurz die Nerven durch....aber das Hotel verlassen wäre absolut kontraproduktiv, auch wenn der Fluchtinstinkt das sagt. Das Hotel ist definitiv der sicherste Platz im sehr großen Umfeld.
19:30 Uhr: wir sitzen alle im Restaurant und wissen nicht ob Henkersmahlzeit oder nur heiße Luft. Man denke an den schönen Meerblick den man von dort hat. Jetzt natürlich nur Wellengetose und schwarze Nacht.
20:30 Uhr: kein Tsunami...aufatmen! Aber auch keine Entwarnung. An Informationen heranzukommen ist nicht möglich. Die deutsche Presse hat das Thema noch gar nicht im Internet aufgegriffen...auf die sehr informative Internetseite der Indonesisches Presse stoßen wir erst am nächsten Tag. Ich gehe schlafen mit dem Gefühl, dass das schlimmste überstanden ist.
00:30 Uhr: SMS aus Deutschland: es gibt Nachbeben und erneute Tsunamiwarnungen. Ich bin wieder wach und ganz fix angezogen. Das Hotel schläft....meine Kollegin dann nicht mehr lange. Wir gehen ins Internet und werden wahnsinnig schier der verschiedenen Nachrichten (mit wiedersprüchlichen Aussagen, viell sind wir auch nur überreizt durch die permanente Angst ohne wirkliches Wissen). Nach stundenlangem Surfen resignieren wir und entscheiden lieber zu schlafen und Kraft zu tanken. Ich schlafe angezogen mit Licht und Radio an.
07:30 Uhr: oh Gott ist das schön nach dem Auwachen die Sonne scheinen zu sehen und vor allem das Meer sehen zu können - es sieht "normal" aus. Keine Minute später bekommt meine Freude einen deftigen Dämpfer: erneutes Erdbeben am Morgen an Indonesiens Küste mit Tsunamiwarnungen....fast schon Routine, trotzdem, die Anspannung bleibt und man ist sich nicht sicher, ob man im Angesicht der möglichen Gefahr total überreagiert oder ob man es nicht noch viel ernster nehmen soll.
15:30 Uhr: keine neuen Tsunamiinfos oder erneute Erdbeben - trotzdem, das Meer schaue ich nicht mehr ganz so erfreut an - man ertappt sich vielmehr, wie man ständig die Wasserhöhe mit den Augen taxiert. Es ist wohl vorbei und passiert ist bei uns letztendlich nichts. Aber das Wissen, das es doch hätte anders ausgehen können und das Unvermögen irgendetwas tun zu können, zu spüren...macht völlig fix und fertig.
Morgen ist mein freier Freitag! Geplant ist noch vor Sonnenaufgang zu einem landeinwärts gelegenen See aufzubrechen und Tiere zu beobachten. Von mir aus können mich da die Warane annagen, hauptsache erstmal keine Gedanken an Riesenwellen :)